Seit Monaten mehren sich die Stimmen aus der Finanz- und Wirtschaftsbranche. Mahnende Worte zum vermeintlich fragilen Immobilienmarkt werden immer lauter. Zuletzt äußerte sich Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling. Im Handelsblatt Anfang April äußert er seine Besorgnis über die Entwicklung des Wohnimmobilienmarktes. Europace, als Plattformanbieter mit der breitesten Datenlage zu Finanzierungen von Wohnimmobilien in Deutschland stellt sich der Frage: Wie steht es wirklich um Wohnimmobilienfinanzierungen in diesem Land?

Ein Rückblick: Bereits im März 2020, als die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie Deutschland völlig unvorbereitet trafen, beschworen Marktbeobachter den Untergang des Wohnimmobilienmarktes herauf. Wir berichteten damals und konnten anhand unserer Zahlen belegen, dass die Corona-Pandemie zu keinem Zeitpunkt den Wohnimmobilienmarkt ins Schleudern brachte. Nicht zu Beginn der Pandemie, nicht nach drei Monaten, nicht nach einem Jahr. Eine von Europace extern in Auftrag gegebene Markteinschätzung stützte damals unseren Standpunkt. Und nach einem Jahr Corona kamen wir sogar zu dem Schluss, dass die Pandemie den Wohnungsmarkt sogar beflügelt hatte. Auch hier lagen wir richtig und konnten mit Hilfe unserer breiten Datenbasis das subjektive Krisenempfinden am Markt anhand objektiver Daten sachgerecht korrigieren.

2022 neue Zeiten brechen an – was heißt das für den Wohnimmobilienmarkt?

Corona war gestern – zumindest in unserer alltäglichen Wahrnehmung. Und auch wenn die Pandemie unseren Alltag und unsere Wirtschaft noch viele Monate beschäftigen wird, überlagern andere Geschehnisse unsere Wahrnehmung.  und somit auch Einschätzung zu den Entwicklungen am Immobilienmarkt. Eine rasant steigende Inflation, eine drohende Rezession, der Krieg in der Ukraine und Engpässe in den Lieferketten setzen unsere Volkswirtschaft starken Spannungen aus. Das Zusammenspiel dieser und weiterer Faktoren ist schwer überschaubar und lässt kaum klare Prognosen zu. Dennoch, auch hier helfen den Verbrauchern, Banken, Vertrieben Zahlen, Daten und Fakten, um zumindest für den Moment eine Einschätzung der Situation zu erlangen. 

Zunächst wäre hier der aktuelle Europace Hauspreis Index, welcher unverändert eine starke Preisentwicklung aufzeigt. Mit Blick auf unsere Plattformbewegungen stellen wir somit fest, dass trotz steigender Zinsen und Baukosten die Nachfrage nach Finanzierungsmöglichkeiten weiter zunimmt. So hat Europace im ersten Quartal 2022 erstmals über 30 Mrd. Euro Transaktionsvolumen erzielt.

Neue Regularien für den Finanzierungsmarkt sind in Planung

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kündigte im ersten Quartal 2022 mit Blick auf die anhaltenden Preissteigerungen am deutschen Wohnimmobilienmarkt einen antizyklischen Kapitalpuffer ab 2023 an. So sollen Kreditinstitute ab 2023 verpflichtet werden, Wohnimmobilienkredite mit mehr Eigenkapital zu unterlegen, um – so die BaFin – steigende Risiken für die Finanzmarktstabilität abfedern.

Ob jedoch die Wohnimmobilienfinanzierung in Deutschland tatsächlich einem erhöhten Risiko unterliegt, das Eingriffe in dieser Größenordnung rechtfertigt, beleuchtet jetzt die umfangreiche neutrale Analyse für die Wohnimmobilienfinanzierung in Deutschland vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Ganz konkret betrachtet die Analyse, ob sich die Kreditvergabe angesichts der Entwicklung von Zinsen und Immobilienpreisen weiterhin in einem angemessenen Rahmen befindet. Des weiteren wird analysiert, inwiefern die Entwicklung und Ausgestaltung der Kreditprodukte wirklich ein erhöhtes Risikoprofil aufweisen. Das 22-seitige Papier geht dabei detailliert auf die Entwicklung des Kreditvolumens und der Kreditprodukte ein, beleuchtet die sich im Laufe der vergangenen Jahre veränderte Zinsbindung, untersucht Finanzierungsstrukturen der Wohnungsbaukredite sowie Risiken bei der Anschlussfinanzierung.

Wie risikobehaftet ist die deutsche Wohnimmobilienfinanzierung wirklich?

Nach eingehender Prüfung und unter Hinzuziehen von Europace Plattformdaten kommt die Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zu einem interessanten Schluss:

Zwar zeigt die Analyse durchaus ein gestiegenes Kreditvolumen für Wohnungskäufe. Doch im Vergleich zu anderen Ländern und der Entwicklung der Immobilienpreise und Zinsen passiert dies keineswegs überproportional. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Kreditvergabe in den vergangenen Jahren sogar unterproportional entwickelt hat, dürfte die derzeitige Steigerung also nicht verwundern. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen marktkonformen Nachholeffekt.

Bei den Kreditprodukten sind höhere Fremdkapitalquoten sichtbar. Doch auch sie stehen im Verhältnis zu den ebenfalls gestiegenen Tilgungssätzen und längeren Sollzinsbindungen. Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass die Zinsrisiken für die Anschlussfinanzierungen zwar gestiegen, aber insgesamt noch moderat sind. Selbst wenn die Risiken für Haushalte gestiegen sind, zeigen die Berechnungen deutlich: für einen umfangreichen Kreditausfall mit schweren Konsequenzen für Kreditinstitute bedürfe es nicht nur eines erheblichen Preisverfalls bei Wohnimmobilien. Darüber hinaus müssten auch starke Einkommensrückgänge der deutschen Bevölkerung verzeichnet werden. Des weiteren  müsste auch ein nicht unerheblicher Zinsanstieg gegeben sein.

Ferner findet die Analyse, dass schärfere Regulierungen den Sprung ins Wohneigentum für viele Menschen noch erschweren könnten. Alles in allem kommt die Analyse zu dem Schluss, dass stärkere Regulierungen den Zugang zu Wohnimmobilien für viele Menschen in diesem Land weiter erschweren. Auch die Profitabilität der Banken könnte dadurch negativ beeinflusst und das Risiko für den Finanzierungsmarkt somit eher erhöht werden. Die gesamte Analyse ist seit heute auf der Website des Instituts der deutschen Wirtschaft verfügbar.