Wieso es sich lohnt, in die mobile Online-Welt potentieller Kunden einzutauchen.

„Der schlechte Service des Einzelhandels hat Amazon erst möglich gemacht“, die These von Thomas Heiserowski ist steil. Im Publikum erntet der technische Vorstand der Europace AG dafür dennoch zustimmendes Kopfnicken. Den anwesenden 370 Gästen aus der Kreditwirtschaft ist klar, dass es fünf vor Zwölf ist. Vielleicht sogar schon fünf Sekunden vor Zwölf.

Wir befinden uns auf der 30. Europace-Konferenz am Potsdamer Platz, Berlin-Mitte. Der Plattformanbieter hat Banken, Sparkassen, Bausparkassen, Finanzmakler und andere Kunden eingeladen, die Baufinanzierungen und Konsumentenkredite verkaufen. Zweimal im Jahr informieren die Branchenvordenker über neuste Marktentwicklungen. Und das seit mehr als zehn Jahren. EUROPACE setzt die Pace.

Vorstand Stefan Kennerknecht taucht also ein in die Online-Welt potenzieller Kunden und findet dort Paymentsysteme ohne lästiges Eintippen der Kreditkartennummer, Chatbots, die Nachrichten generieren und digitale Assistenten, die in Zukunft jedes Gespräch mit einem Konsumenten starten und begleiten.

Am Beispiel Amazon versus Einzelhandel erläutert Wirtschaftsinformatiker Heiserowski, was der Finanzbranche bevorsteht. Agile Fintechs denken die Branche neu. Und zwar aus Sicht des Kunden. Denn die wollen konkrete Angebote, statt Schaufensterpreise – wie lange Zeit in der Finanzszene üblich.

Google macht das vor. Wer in den USA etwa über die Bildersuche nach Turnschuhen fahndet, bekommt beim Suchmaschinen-Monopolisten zu den Fotos Preise angezeigt. Ein paar schicke Adidas-Treter für 89 Dollar. Klick und Kauf. Lieferung möglichst noch am selben Tag. „So geht das heute“, wird Heiserowski deutlich. Konzerne wie Amazon bedienen die Sehnsüchte der User – oft bevor diese überhaupt wissen, dass sie diese spüren. Etwa nach einem neuen Sneaker-Paar.

Übersetzt in den Berateralltag bedeutet das, Bau-Finanzierer und Privatkreditgeber sollten umdenken. Und zwar bevor Silicon-Valley-Unternehmen auch ihre Produkte übernehmen. „Oder wussten Sie, dass Apple heute weltweit der größte Uhrenhersteller ist?“, wie Gastredner Sascha Lobo wenig später in seiner Keynote anmerkte. Noch vor Rolex hat die Apfelmarke 2016 erstmals den Uhren-Spitzenplatz eingenommen.

Ein anderer Sturm droht aus Osten. Der chinesische Anbieter Alipay ersetzt zusehends den Kreditkartenkauf. Firmen wie der Geschirr- und Besteckhersteller WMF oder Drogeriefilialist Rossmann bieten das Bezahlsystem bereits an der Ladenkasse und im Onlineshop an. Die Kundschaft aus Fernost goutiert das. Die See wird rauer. Doch Heiserowski lotst seine Zuhörer Richtung Heimathafen. Denn das neue Angebot im Netz ist nicht nur vertrauenswürdig. Etliche User sehnen sich nach Beratung und wollen Antworten, etwa auf komplexe (Baufi-)Fragen. „Diese Unsicherheit ist Ihre Chance“, appelliert der Europace-Vorstand an die Besucher.

Der Schlüssel, potentielle Kunden zu Käufern zu machen, den Customer Journey zum Abschluss zu führen, liegt im Service. „Die Leute kaufen Erfahrungen, keine Technik“, weiß Heiserowski und Kennerknecht übersetzt: Wie famos wäre es, wenn bei Goolge-Maps neben zu verkaufenden Immobilien gleich die für den User passende, monatliche Annuitätenrate angezeigt würde. Und zwar basierend auf Echtdaten des Interessenten. „Barrierefreies Shoppen neu gedacht“, nennt das der Europace-Vordenker.

„Letztlich geht es darum, Hürden abzubauen“, sagt Kennerknecht. Menschen würden immer „onliner“. Das geänderte Kundenverhalten schaffe neue Möglichkeiten für Unternehmen, im Wettbewerb zu bestehen. Genau an den Punkten besser zu sein, als die anderen. „Das kann das Ziel sein“, so der Europace-Vorstand.

Heiserowski wird abermals konkret: „Wer heute eine Website wie eine Visitenkarte ins Netz stellt, erfüllt einen Standard aus den 1990-er Jahren“. Das kann keine Bank wollen. Denn die Welt hat sich weiterentwickelt. Menschen leben im Jahr 2017 „auf ihrem Telefon“. Sie wollen eine schnelle Interaktion mit den Unternehmen. Und das von überall aus. Mehr als 50 Prozent aller Suchanfragen finden inzwischen über mobile Endgeräte statt. W-Lan, sogar am Urlaubsstrand und in der S-Bahn, werden Usus.

Millennials (nach 1980 Geborene) erwarten Antworten und Lieferungen sofort. Blogger Sascha Lobo nennt das im Interview „digitale Ungeduld“. Wer Anfragen unter einer Minute beantwortet, steigert den Abschlusserfolg um fast 400 Prozent, wie Lead-Expertin Sabine Koch analysiert hat. Angaben wie „Wir bemühen uns binnen 24 Stunden ihre Anfrage zu bearbeiten“ (was noch nicht einmal „beantworten“ heißt), muten dagegen an, wie eine Floskel aus dem vorigen Jahrtausend.

Die gute Nachricht: Es gibt Hilfe. Europace entwickelt und liefert Werkzeuge, die diesen rasanten Wandel im Konsumentenverhalten – und letztlich den gesellschaftlichen Wandel – mitgestalten. „Wir sind und bleiben ein B2B-Anbieter, aber die Zukunft findet auf unserem Marktplatz statt“, sagt Kennerknecht und lädt damit 370 zuhörende Finanzexperten ein, aktiv bei der Entwicklung dabei zu sein.