Wie wird aus einer Vision ein erfolgreiches Produkt? Durch den Willen, das zu lernen, was man noch nicht weiß, und den Mut, das zu teilen, was man weiß. Deshalb haben wir uns zur Holakratie entschieden. Zusammenarbeiten, hinterfragen, diskutieren, im Team entscheiden und gemeinsam ein Projekt auf die Straße bringen, das war schon immer das Erfolgsrezept von Europace, Motor für unsere besten Ideen und Motivation für jede:n Mitarbeiter:in.

Bei der Frankfurt School of Finance beschreibt Stefan Münter, Vorstand und Co-CEO der Europace AG, den Weg in die Holakratie, der Organisationsstruktur, die aus dem Plattformunternehmen Europace ein sich ständig und selbstständig weiterentwickelndes, lernendes Unternehmen mit jährlich zweistelligem Umsatz und Ertrag gemacht hat.

Stefan kennt beide Seiten: die alte und die neue Arbeitswelt. Gestartet im klassischen Bankwesen in top-down organisierten Unternehmen mit Einzelbüros und starren Hierarchien, heute auf der anderen Seite, in der modernen Arbeitswelt: new work. In der alten Welt entschied die Führung, die Abteilungsleitung, der Vorgesetzte, meist hinter verschlossenen Türen, immer im Alleingang und häufig ohne operative Expertise. Auch in der neuen Welt bedarf es einer Leuchtturmfunktion, man nennt sie Modern Leadership. Einfach nur ein neues Etikett? Nicht wenn man es ernst meint. Modern Leadership bedeutet, Entscheidungswege aufzubrechen, Fachexperten den Lead übernehmen zu lassen und auf die Kraft der Teams und jeder einzelnen Person darin zu vertrauen.

Modern Leadership by Europace

Europace wächst seit Jahren. Schon das ist eine ganz große Herausforderung, denn wenn jedes Jahr 20 bis 25 Prozent mehr Umsatz erzielt werden und immer mehr Menschen im Unternehmen zusammenkommen, braucht es viel Management. Als Europace in den Nullerjahren als Teil der Hypoport Gruppe Fahrt aufnahm, gab es zahlreiche verschiedene Unternehmen im Hypoport Konzern. Unter einem Dach vereint, ballte sich eine große Diversität an Geschäftsmodellen von Unternehmen, die jedes für sich andere Bedürfnisse am Markt bediente und das Management an seine Grenzen stoßen ließ.

Im damaligen Product Management Board wurden neue Geschäftsideen entwickelt, Trends der Zukunft versucht in Projekte und Produkte zu gießen. Doch bei der Festlegung der Prioritäten standen sich B2C-Vertrieb, Plattformunternehmen, CEOs,  Betreuung Bankpartner und Betreuung Vertriebspartner gegenüber. Was für die einen funktionierte, kam für die anderen nicht in Frage. Regeln passen nicht mehr für alle. Die Erkenntnis: Zentrale Steuerung versagt beim Management von Komplexität.

Der erste Schritt auf dem Weg zu Modern Leadership war getan. Aus Hypoport ONE wurde Hypoport ONE Family. Die Familie erkannte die Unterschiede ihrer Familienmitglieder an und machte diese zur Losung: So dezentral wie möglich – so zentral wie nötig.

Konkret bedeutete das, anzuerkennen, dass die Kraft, Energie und das Wissen bei den Menschen liegt und nicht bei den Chefs. Das die Entscheidungen dort getroffen werden müssen, wo sie Relevanz haben, dort wo die Kunden sind, dort wo die Leistung entsteht. Dort wo Menschen wissen, was wichtig ist.

Entscheidend war, der IT den Vortritt zu geben, indem eine agile IT die Produktentwicklung gemeinsam mit den Kunden und Kundinnen vornimmt. Herausfordernd war, das „Business“ anzubinden. Also Vertrieb, Marketing, Business Development darauf auszurichten, der Produktidee zu folgen, dem Kundenwunsch, der Verbraucherperspektive und diese zu vermarkten, anstatt hinter verschlossenen Türen Produkte zu entwickeln, für die der Markt keine Verwendung hat.

Für eine agile Arbeitsweise brauchte es eine strukturierte Selbstorganisation, Holakratie, Kreise statt einer Pyramide, die Trennung von Mensch und Rolle, die Trennung von disziplinarischer und fachlicher Führung, die Wahrnehmung von Verantwortung. Die Begründung eines Organismus, der sich zu jedem Zeitpunkt, in jeder Phase anpassen kann. Warum? Weil wir in einer solchen Welt leben und wirken. Gemäß Porters Five Forces: Schnelle und schwer einzuschätzende Mitbewerber, Druck von Kunden, Druck von Lieferanten, Druck der Digitalisierung in den Märkten und nicht zuletzt auch Druck von Innen.

Um dynamik-robust zu werden, mussten die Unternehmen schneller innovieren. Das ging nur, in dem man die Bereiche in voll funktionale Einheiten aufbrach. Sie wurden quasi in die Autonomie entlassen und durften erstmals nach ihrem Zweck handeln. Europace war plötzlich nicht mehr Teil eines großen Konstrukts, sondern ein eigenes autarkes Zentrum, das erstmal lernen musste, vollfunktional zu sein. In der Praxis bedeutete das, sich nicht mehr darauf zu verlassen, dass irgendjemand Fragestellungen klärt, sich nicht mehr darauf zu verlassen, dass jemand zentral leistet. Es bedeutete, die Fragen selbst zu beantworten, so dezentral wie möglich und so zentral wie nötig, mit ganz wenigen Steuerungsgrößen im großen Konzernkontext.

Dezentralisierung – Selbstähnlichkeit – Ganzheitlichkeit

Auch innerhalb der Europace AG wurden neue Zentren als eigene Unternehmen im Unternehmen gebildet, die voll funktional und selbstverantwortlich agieren. So entstanden zwei große Bereiche, der der Baufinanzierung und der des Ratenkredites, zwei Plattformen, die sehr eng zusammenhängen, aber doch total verschieden sind in ihren Geschäftsmodellen, in ihren Kundenbeziehungen, in ihren Produkten. Und diese beiden sind jeweils wieder Zentrum und bekommen vom Konzern-Zentrum gewisse Steuerungsmaßgaben, wie beispielsweise eine einheitliche Führungskräfteentwicklung, Personalpolitik, aber ohne Intervention in die Geschehenisse des Baufinanzierungs- bzw. Ratenkreditkreises. Um dies zu gewährleisten muss das holakratische Prinzip ganzheitlich integriert werden. Governance und Tactical Meetings trennen die Entwicklung der Organisation von der Entwicklung des Produkts, People Leads und Lead Links die disziplinarische Führung von der fachlichen. Eine transparente Dokumentation gewährleistet Klarheit und die damit einhergehende Partizipation funktioniert als unglaublicher Motivator.

Um sicherzustellen, dass die Dezentralisierung die einzelnen Kreise nicht zu Künstlerkolonien macht, bedarf es einiger Kreisübergreifender Regelungen, die für alle gelten und für alle sichtbar sind. Eine transparente Ausarbeitung von Budgetkompetenzen gehört beispielsweise dazu. Aber auch eine sinnvolle Zielsetzung für das Unternehmen und die kleineren voll funktionalen Einheiten.

Auch die Frage nach der Führung wird in einem holakratischen Unternehmen klar geregelt – entgegen der landläufigen Erwartung im Grunde noch konkreter als in einem klassisch organisierten Unternehmen.Wenn sich eine hierarchische Organisation in eine holakratische Organisation entwickelt, dann braucht es Rollenfüller, die die Verantwortung übernehmen wollen und können. Es werden plötzlich mehr Menschen gebraucht, die gute Entscheidungen treffen. Denn wenn der Chef sich zurückzieht, die Verantwortung abgibt, dann muss man immer die Frage stellen „Sind jetzt bessere Entscheider:innen dran?“ Das führt dazu, dass die Menschen in dieser Organisation lernen müssen, gute Entscheidungen zu treffen und auch üben müssen, Entscheidungen zu treffen und vor allem sich trauen, Entscheidungen zu treffen. Das verändert das Bewusstsein für Karriereleitern. Automatischer Aufstieg nach Betriebszugehörigkeit fällt weg, gleichzeitig hat jede Person im Unternehmen die Chance, an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Kontexten wirksam zu sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewegen sich fluide im Unternehmen, ihre Partizipation in auch fachfremden Bereichen ist möglich und gibt ihnen die Möglichkeit ihr Skillset zu erweitern, während das Unternehmen von Talenten profitiert, die vielleicht nicht auf den ersten Blick aus dem Lebenslauf erkennbar waren. So zahlt die Holakratie darauf ein, dass Menschen eine gute Resonanz zum Unternehmen, ihrem Unternehmen, entwickeln, sich ihm verbunden fühlen, sich darin entwickeln und frei bewegen können. Und zwar immer in den Kontexten, die das Unternehmen braucht. Mit diesem Fokus auf Menschlichkeit kann die Organisation Höchstleistung erzielen und nachhaltig sichern.

Der Aktienkurs könnte als ein Beleg für den Erfolg der Selbstorganisation gesehen werden. Viel relevanter aber ist, dass das gewählte System direkt auf die Bedürfnisse der Verbraucher:innen und die Anforderungen des Marktes einzahlt. Die dezentrale Ausrichtung stärkt das Unternehmen Europace am Markt und für die Zukunft. Die Geschwindigkeit die die Holakratie erlaubt auf Marktveränderungen zu reagieren. Hier kommt die Agilität voll zum Tragen.

 

Dezentralität für eine dynamikrobuste Unternehmenskultur

Wer heute bei Europace die Bürofläche betritt, kann Dezentralität sehen. Circa 15 % der Mitarbeiter nehmen derzeit im Schnitt das Angebot, im Büro zu arbeiten, wahr. Den Kollegen und Kolleginnen die Wahl zu geben, diese herausfordernde Zeit selbstbestimmt zu organisieren und zu strukturieren, war oberstes Gebot des Managements. Die Angestellten von Europace sollen selbst entscheiden, wo sie in Pandemiezeiten arbeiten möchten. Auf freien, weiten Arbeitsflächen bei Europace, mit viel Platz, kostenfreien Selbsttests und Masken, im Homeoffice bei der Familie oder Remote. Die freie Wahl, die Mündigkeit, das Vertrauen in das gesamte Team und jedes einzelne Mitglied spielen bei Europace eine große Rolle in einer Firmenkultur, in der das Unternehmen selbst der soziale Anker ist.