Der Kunde steht im Mittelpunkt. Sollte er zumindest. Doch Studien belegen, dass die meisten digitalen Finanzprodukte entwickelt werden, ohne die Bedürfnisse des Endkunden zu berücksichtigen. Einfache, passende und preiswerte Angebote – also das, was er gerne möchte – bekommt er nämlich häufig nicht. Schuld sind gesetzliche Rahmenbedingungen und die „German Skepsis“ gegenüber Automatisierung und Digitalisierung.

Ein Beitrag von Leila Haidar.

„Interessant ist, dass dem Endkunden selbst die Produkte ganz egal sind“, konstatiert Jens Honigmann bei seinem Vortrag auf der 33. EUROPACE Konferenz in Berlin. Das Vorstandsmitglied der Value AG glaubt, dass der Kunde nur an seinen Wunsch denkt und wie er diesen erfüllen, in unserem Fall zu guten Konditionen finanzieren, kann: eine Eigentumswohnung, ein Häuschen im Grünen oder ein sportliches Auto. Die Finanzwelt denke aber immer noch zu wenig an den Endkunden. „Auch bei uns kommen die Themen Digitalisierung und Automatisierung mehr und mehr an“, sagt Honigmann, „obwohl wir es mit einer konservativen Branche zu tun haben.“ Das Problem: Viele Berater kennen die Bedürfnisse ihrer Kunden nicht und können sie daher nicht erfüllen. „Es hilft schon, den einen oder anderen zu fragen“, schmunzelt Honigmann. In vielen Banken werden clevere Algorithmen und künstliche Intelligenz bereits eingesetzt – allerdings zur Kosteneinsparung und Bequemlichkeit der Mitarbeiter, nicht der Kunden.

 

Laut Klaus Kannen, Geschäftsführer der FINMAS GmbH, sei es ja schon disruptiv, wenn der Banker den Anzug ohne Krawatte trägt. „Wer einen Kredit aufnimmt, will es einfach haben, will sich entspannen und zurücklehnen“, fasst es Kannen zusammen. Zwar sei die EUROPACE-Plattform ein Angebot, das sich an Berater, Banker und Makler richtet, „trotzdem muss die Customer Journey im Vordergrund stehen“, so Kannen. Wichtig hierbei: Den Interessenten an einem frühen Zeitpunkt seines Entscheidungsprozesses erreichen und binden. Etwa über ein Kundenportal, auf dem Nutzwert, exklusive Immobilienangebote, passende Versicherungsleistungen und die aktuellen Konditionen bereitstehen.

Lösung, um die optimale Reise des Kunden vom Erstkontakt bis zur Unterschrift befriedigend zu gestalten, sind digitalisierte, transparente und automatisierte Prozesse. Doch rechtliche Rahmenbedingungen machen es dem Banker nicht leicht: von den Anforderungen der Verbraucherkreditrichtlinie über die Vorgaben bei der Wertermittlung einer Immobilie bis hin zur Schriftform-Erfordernis – Einzelschritte zu vereinfachen ist in Deutschland nicht einfach. „Man kann den Kuchen nicht auf einmal essen“, beschreibt es Kannen. Vielmehr müssen die Stationen der Customer Journey nach und nach vereinfacht werden. „Irgendwo müssen wir anfangen“, glaubt Honigmann.Beispielsweise können beim „Matching“ zwischen Immobiliensucher und seinem Wohntraum intelligente Algorithmen unterstützen.

Wo die Knackpunkte innerhalb einer Customer Journey stecken, können Berater am besten über eine Auswertung ihrer Aktivitäten herausfinden. Ein neues Feature der EUROPACE-Plattform, der Partnerreport Vertrieb, kann sichtbar machen, wo es hakt. „Wir verlassen uns im Alltag bei vielen Entscheidungen auf unser Bauchgefühl“, sagt Sandra Schoan, verantwortlich für den Report bei Europace. „Im Vertrieb sollten wir die Daten sprechen lassen.“ Die Frage, ob die eigenen Finanzprodukte zum Kunden passen, und wenn ja, in welchen Regionen sie besonders gut oder schlecht funktionieren, kann der Vertriebsreport unter anderem beantworten. Laut Corrie Bartelheimer, Data Science Expertin bei Europace, ist die intelligente Auswertung von Informationen über Menschen der Schlüssel, eine Customer Journey befriedigend zu gestalten. „Viele Immobilien-Suchende geben frustriert auf, bevor sie etwas Passendes gefunden haben“, so die Datenexpertin. Wüssten wir mehr über den Interessenten, so könnten ihm intelligente Plattformen beispielsweise eine Immobilie anbieten, die zu seinem Budget und seinen Vorlieben passt. Ganz automatisch und zur Freude des zukünftigen Kunden.

 

Zum Thema Datensicherheit hat Bartelheimer auch eine Meinung: „Wenn der Kunde einen Mehrwert hat, erlaubt er es uns, Informationen zu seiner Person auszuwerten.“ Außerdem gebe es zahlreiche öffentlich zugängliche Datenquellen, die die meisten Berater oder Banken im Rahmen ihres Kundenservices bislang nicht berücksichtigen. Beispiele für öffentlich nutzbare Datenquellen unter anderem zu Themen wie Wohnen, Hobbys und Einkommen gibt es unter: www.govdata.de.„Wäre es nicht cool, wenn wir verschiedene Datenquellen so zusammenbringen würden, damit Kaufen mindestens so einfach wie Mieten wird?“