Unter dem Motto Finance Festival 2022 bereiteten wir im Frühjahr diesen Jahres für unsere Kund:innen und Branchenpartner:innen ein wahres Feuerwerk zum Jubiläum unserer 40. Europace Konferenz vor. Wenige Wochen vor ihrem Start am 29.September verlagerten sich wichtige Parameter der Immobilien- und Finanzbranche und veränderten den Markt schlagartig und umfangreich. Wir nahmen die Veränderungen zum Anlass zu prüfen, was wir eigentlich mit unserem Motto, unserer Konferenz, unseren Produkten und unserem Unternehmen Europace ausdrücken und beitragen möchten. Und wir bleiben dabei: Finanzieren mit Leichtigkeit – jetzt erst recht. In seiner Keynote zur Zeitenwende bestärkt Stefan Münter, Vorstand und Co-CEO der Europace AG unseren Weg und erklärt, warum wir diesen Weg zusammen gehen müssen, um gemeinsam ein neues Gleichgewicht zu finden.

 

 

Liebe Gäste, liebe Kunden und Partner, lieber Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

ich freue mich sehr, heute nach über 2,5 Jahren wieder in einem solchen Format mit euch zusammen zu sein, gemeinsam vor Ort hier in Berlin im Spindler und Klatt: Einen Tag und einen Abend gemeinsam in einer Zeit, die herausfordernd ist für unsere Branche und für unsere Unternehmen und die uns mehr fordert, als alles, was ich in bald 20 Jahren Finanzdienstleistung erlebt habe.

Die Ängste der Menschen in unserem Land vor der Zukunft, die Ängste unserer Bürger in Deutschland vor einem kalten Winter, die Sorge von Verbraucherinnen und Verbrauchern um ihre finanzielle Zukunft und die Krisen unserer Zeit treffen uns und unsere Geschäftsmodelle.
Im Frühjahr 2020 haben wir unsere Planung neu geschrieben. Wir haben uns die Frage gestellt, welchen Geschäftsrückgang uns die Corona Pandemie beschert. Unser optimistisches Szenario war damals ein Rückgang von 50% für 2-3 Monate, basierend auf der Vermutung, Corona geht schnell vorüber. Die Jahre 2020 und 2021 waren für unsere Branche Rekordjahre – nichts, was wir damals vorausgeahnt haben.

Dass wir die Auswirkungen der Krisen, die seit dieser Zeit unsere Gewissheiten verändert haben, erst heute, über zwei Jahre später spüren, ist nicht nur Beleg für die hohe Dynamik, die wir in der Welt erleben, sie mag auch Ankündigung einer Zeitenwende sein, die wir in dieser Wucht und Schnelligkeit nicht erwarten konnten.

Heute blicken wir auf eine Vielzahl von gleichzeitigen Krisen und Brandherden in der Welt. Krisen, die zum Teil kausal, zum Teil unabhängig voneinander sind und die uns treffen, unsere Unternehmen, unser Land und uns als Bürger.

Aus diesem Grund haben wir als Hypoport Konzern letzte Woche unsere Jahresprognose revidiert. Die Umsätze in der Immobilien- und Finanzierungsbranche werden hinter den Erwartungen liegen. Es gab keine Rückkehr zur neuen Normalität nach dem Ende der Sommerferien in Deutschland.

Eines ist allen Krisen jedoch gemeinsam: Sie sind immer wieder neu. Pläne können helfen, Aspekte von Krisen zu managen. Und doch ist Krisen zu eigen, dass sie nicht nur neue Chancen und Veränderungen mit sich bringen, sondern auch immer wieder neue Entscheidungswege benötigen. Unsere Welt ist komplex, genau wie unsere Branche. Die Ursachen und Wirkungen verändern sich mit jeder neuen Krise und wir müssen immer wieder aufs Neue lernen, uns darauf einzustellen. Krise ist nicht planbar.

Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat Gewissheiten zerstört, auf die wir unser Wirtschaftssystem aufgebaut haben und auf die wir unsere Gesellschaft stützen. Die Lieferketten, die sonst wie ein teures Uhrwerk ineinandergreifen, sind weltweit gestört, unterbrochen, in ihrer Perfektion erschüttert. Gleichzeitig wird die Produktion in unserem Land durch den aktuellen Energiepreis-Schock immer teurer bis hin zu unmöglich.

Die Globalisierung ist ausgebremst und wir müssen uns fragen, müssen wir lokaler produzieren? Wir müssen uns sogar fragen, ob wir genug Heizenergie in den Haushalten des Landes haben. Hilft der Protektionismus unseren lieb gewonnen Wohlstand zu schützen? Oder bewirken wir damit das Gegenteil und erkennen erst dadurch unsere Abhängigkeit in einem globalen System, in dem wir mit großem Erfolg die letzten Jahrzehnte navigiert haben? Wer vor einigen Jahren hier auf der Konferenz Eric Händeler gehört hat, der weiß, dass in ansteigenden Kondratieff-Zyklen, wenn Wohlstand weltweit neu verteilt wird, Krieg und Protektionismus Antworten meist hilfloser Gesellschaften sind, um zu bewahren, was vermeintlich in die Zukunft trägt.

Und gleichzeitig, fast noch unbemerkt, rollt die größte Herausforderung aller Zeiten für unsere Gesellschaft, für den Generationenvertrag, für unseren Wohlstand ungebremst nach vorne: Arbeiterlosigkeit*. Die Kinder der Generation der Babyboomer sind aus dem Haus. Die nachfolgenden, geburtenschwachen Jahrgänge haben noch weniger Kinder. Die Menschen, die aus den Arbeitsmärkten verschwinden, sind dieses Jahr erstmals mehr als die, die nachfolgen.
Die Kombination all dieser Ereignisse ist außergewöhnlich. Und diese Ereignisse werden dazu führen, dass wir uns anpassen müssen.

Inzwischen scheint klar: Wir werden eine Rezession erleben. Wie lange sie dauert und wie stark sie ausfällt, wird auch davon abhängen, wie wir alle uns in der Krise entscheiden, wie wir motiviert bleiben mit Blick auf große Herausforderungen und wie wir es schaffen, unsere Unternehmen, unsere Arbeit und unsere Leben darauf auszurichten. Unsere Wirtschaft in Deutschland ist widerstandsfähig, unsere Unternehmen sind gut finanziert. Unser Staat ist noch leistungsfähig und unsere Branche, wie wir alle hier versammelt sind, hat auch die letzte große Krise 2008 gemeistert. Auch in der aktuellen Zeit können wir einen Beitrag leisten. Wir können unsere Unternehmen auf die neue Situation anpassen und Teil davon sein, die Auswirkungen der kommenden Zeiten abzufedern. Uns als Branche bringen dabei drei Perspektiven in die Zukunft:

Finanzieren und Wohnen bleibt ein attraktiver Markt

Der Immobilienmarkt in Deutschland hat sich in den letzten drei Monaten in einem nie da gewesenen Tempo vom Verkäufer- zum Käufermarkt entwickelt. Im Jahr 2022 waren im Durchschnitt bis heute 30 Prozent mehr Immobilien auf den typischen Plattformen gelistet als noch vor einem Jahr, Anfang September verglichen mit Anfang März über 40 Prozent mehr Angebot auf dem Markt. Die Angebotspreise sind bis Juli diesen Jahres enorm gestiegen. Seitdem sehen wir einen Rückgang. Bis dato im Durchschnitt über alle Segmente um lediglich etwas über zwei Prozent. Aber die realen Transaktionspreise für Bestandsimmobilien sind deutlich stärker zurückgegangen. 

Energetisch unsanierte Objekte liegen deutlich länger im Verkauf, die gestiegenen Finanzierungskosten haben zum ersten Mal seit langer Zeit dafür gesorgt, dass die Mieten wieder stärker gestiegen sind, als die Immobilienpreise. Aktuell bewegen wir uns hier in den Angebotsmieten bei etwa zwei Prozent Zuwachs. Wir sehen eine erste Preisflucht aus den Städten. Sehen eine Bewegung in den Mietmarkt. Und sehen deutlich zurückgegangene Baugenehmigungen und in der Projektentwicklung den Leitsatz: Wer jetzt nicht bauen muss, der baut nicht. Das wiederum führt zu Stabilisierungs-Tendenzen auf dem Bestandsmarkt und sorgt dafür, dass die Investition in die wohlgemerkt eigenen vier Wände sinnvoll und richtig bleibt.

Im Ergebnis können die Menschen weiterhin Chancen am Immobilienmarkt nutzen, die bereit sind, mehr Risiken einzugehen, die ihre Tilgung reduzieren, um den Kapitaldienst zu senken und die einen höheren Einsatz von Eigenkapital stemmen können. Und für alle, die schon in den eigenen vier Wänden wohnen, geht es nicht mehr um das nächste Modewort. Nicht mehr um Nachhaltigkeit. Es geht um Autarkie. Es geht darum, unabhängig zu werden. Mit der richtigen Heizung, dem richtigen Energieträger, der PV-Anlage und der Reduktion von Energieverbrauch.

Das alles ist auch in Krisenzeiten unsere Chance! Bausparen boomt. Modernisierungsdarlehen boomen. Der Ratenkredit für die PV-Anlage boomt. Genau wie die Notwendigkeit, nochmal auf Wohngebäude und Hausratversicherung zu schauen. Und dabei sind so viele Immobilien wie lange nicht auf dem Markt. Die Baubranche wird versuchen auf die zurückgehende Nachfrage mit sinkenden Preisen zu reagieren und die Käufer, die weiterhin den Kapitaldienst leisten können, erwerben Inflationsschutz für ihr Eigenkapital und Eigennutzer behalten die Chance auf die beste Anlage gegen Altersarmut.

Das bringt mich zur zweiten Perspektive, die wir einnehmen müssen, um die Herausforderungen zu bewältigen. Ganz konkret fragen wir uns als Marktplatz, was es braucht, um auf diese fragmentierten Finanzierungsanfragen einzugehen? Unsere Antwort: Innovation.

‘Wenn man Schlagwörter wie Digitalisierung nicht mehr hören kann, dann hat das oft auch damit zu tun, dass sie sich mit Inhalt füllen.’ Danke Nicolas Schulmann für das Zitat.

Reduzieren, um mehr zu bekommen

Ohne Digitalisierung bekommen wir die Arbeiterlosigkeit nicht in den Griff. Das gilt für die Produktentwickler in den Unternehmen, die Besichtiger und Bewerter, sowie die Kreditentscheider in der Finanzierung, genau wie die Sachbearbeiter in der Marktfolge. Und das gilt auch für die Menge der notwendigen Berater, um die Bedürfnisse unserer Bevölkerung zu erfüllen. 

Wir werden in Zukunft mit weniger Menschen beraten und begleiten müssen. Werden mehr Zeit pro Kunde benötigen, um die richtige Antwort zu finden, wenn das Haushaltseinkommen knapper und das übrige Kapital für Sparen, Investieren und Konsumieren weniger wird, wenn die Altersvorsorge mit dem Urlaub, die Investition in die eigenen vier Wände mit einem unsicheren Ausblick im Wettbewerb steht. Diese Kapazitäten werden wir nur haben, wenn die Produkte und technischen Systeme uns Arbeit abnehmen. 

Und das bedeutet, dass wir weiterhin leistungsfähig sein werden. Gerade jetzt. Gerade in Zeiten, in denen der Markt sich anpasst. Diese Zeit ist nicht nur eine Krise. Sie ist eine Wende, ein Neustart, eine Chance. Sie dient uns als Spiegel, der uns schonungslos auf das Wesentliche fokussiert und dabei unsere Stärken sichtbar macht. Unsere Stärke bei Europace ist unsere Innovationskraft mit der wir seit 20 Jahren erfolgreich am Markt etabliert sind. Lasst es mich daher deutlich sagen: Die Leistungsfähigkeit von Europace, Finmas und Genopace bleibt unverändert, denn wir orientieren uns an den Chancen, die wir sehen. Und ich freue mich, dass wir mit unserer innovativen Technologie heute erfolgreicher denn je sind, erfolgreich in unseren starken Partnerschaften, wie der Deutschen Bank, der Bausparkasse Schwäbisch Hall, der Finanz Informatik, mit der GFG und der Sparkassen Finanzgruppe.

  • Mit unseren Innovationen sind wir nicht nur erfolgreich im Ratenkredit und betreiben einen der größten Marktplätze in Deutschland.
  • Wir beweisen mit Kooperationen wie beispielsweise der Immowelt, dass wir Leads nach Abschlusswahrscheinlichkeit qualifizieren können. Wir setzen Marktstandards in der Finanzierung, zum Beispiel mit unserem  Unterlagen-Team.
  • Wir verändern, beschleunigen und definieren ganze Marktprozesse neu, wie mit OneClick, einer echten Kreditentscheidung am Point of Sale. Mit FINN ermöglichen wir Beratern und Beraterinnen mit einem digitalen Touchpoint modernste Beratungsanforderungen zu bedienen.
  • Wir sind mit FIO, dem Immobilienmarkplatz verbunden und pilotieren im Projekt EDW mit der GFG die Integration von Immobilie und Finanzierung.
  • Wir sind Schnittstellenpartner von Atruvia in der GFG und liefern auch im OS Plus Neo in der Sparkassen Finanzgruppe den Vergleich für Verbraucher in der Baufinanzierung.
  • Der Unterlagen-Service von Value integriert sich in die Marktdaten in Europace. Und liefert bald die Basis für eine durchgängige Immobilienbewertung im Finanzierungsprozess.
  • Schlussendlich setzen auch immer mehr Bankfilialen auf BaufiSmart, was uns dazu veranlasst hat, die Investitionen auch im Prolongationsgeschäft für den Bankeigenen Vertrieb zu bewilligen und dort Prozesse zu vereinfachen und Konvertierung zu verbessern.

Und ich freue mich außerordentlich, dass wir uns in der Partnerschaft mit der Deutschen Bank bewiesen haben und zukünftig neben der Kreditentscheidung für die DSL Bank auch wesentliche Teile des Deutsche Bank Geschäfts in der Kreditentscheidung technologisch unterstützen.  

Wir investieren bei Europace auch jetzt weiter in diese Produktivitäts – und Effizienzgewinne. Denn wir, unser Markt und unsere Gesellschaft brauchen Technologie. Sonst werden wir die Arbeiterlosigkeit auch in der Baufinanzierung nicht stemmen. Denn, und damit komme ich zu meiner dritten Perspektive, persönliche Beratung wird nicht weniger wichtig. Die deutsche Finanz- und Versicherungsbranche ist besonders. Sie kennt eine große Vielzahl an Produktanbietern mit einer schier unüberschaubaren Zahl an Produkten und einem unglaublichen Variantenreichtum an Produkteigenschaften.

Die Individualgesellschaft braucht Experten

Neben den 190.000 34d- und etwa 40.000 34f-Vermittlern gibt es heute über 55.000 34i-Vermittler. Beraterinnen und Berater, die auf Kunden treffen, die es online versucht haben. Digital ohne Beratung. Execution only. Gefrustet und genervt treffen diese dann auf eine:n Finanzierungsberater:in. Und diese Person weiß, wie es geht. Beraterinnen und Berater finden in dem Produktportfolio des deutschen Finanzdienstleistungsmarkts immer ein besseres Produkt, ein günstigeres Produkt, ein passendes Produkt für die Verbraucher:innen, die bei ihnen sitzen. Irgendwann, nachdem sie es selbst versucht haben. und danach wissen sie, dass sie es in Zukunft anders machen. 

Das ist eine Besonderheit und eine Stärke in unserem deutschen Markt. Beraterinnen und Berater waren in der Pandemie bei ihren Kunden und waren auch für ihre Kunden da, als der russische Angriffskrieg begann. Wir sind auch in einer Rezession für unsere Kunden da. Wir lassen die Menschen nicht alleine. Wir helfen ihnen und begleiten sie durch die vielleicht wichtigste Phase in ihrem Leben. 

Was wir können, vor allem in Zeiten wie diesen, ist, die Menschen mit Innovation, Beratung und der richtigen Finanzierung gut durch die Krisen zu navigieren. Das versprechen wir von Europace unseren Partnern, Kund:innen und Nutzer:innen und wir als Branche den Menschen unserer Gesellschaft. Vielen Dank!

*Sebastian Dettmers Die grosse Arbeiterlosigkeit: Warum eine schrumpfende Bevölkerung unseren Wohlstand bedroht und was wir dagegen tun können, FinanzBuch Verlag