Mit Corona Ventures hat Axel Springer hy, Spezialist für digitale Transformation von Unternehmen und Tochtergesellschaft von Axel Springer SE, einen inspirierenden Ort zum Austausch geschaffen. Hier sprechen Entscheider aus unterschiedlichsten Branchen und geben Einblicke in Risiken und Chancen der heutigen Coronakrise. Diesmal teilt Thomas Heiserowski, Co-CEO der Europace AG, die smarten und mutigen Entscheidungen mit denen Europace die vergangenen Monate gut und sicher überstanden hat und die zukünftige Zeit in Angriff nehmen wird. Hier das Interview:

Thomas, erzähle uns, wie ihr auf die Coronasituation im Unternehmen reagiert habt.

Kurz zusammengefasst: wir haben unsere interne Kommunikation ausgeweitet, unsere Produkt-Roadmap angepasst und eine Frühwarnsystem für unseren Markt entwickelt. Im Detail bedeutete das, dass wir von heute auf morgen eine ganze Firma auf remote umstellen und den Menschen dabei die Sicherheit geben mussten, dass es weitergehen wird. Deshalb haben Stefan Kennerknecht, mein Co-CEO-Kollege, und ich seit Ende Februar unsere Einschätzung zur Pandemie via Slack mit allen MitarbeiterInnen geteilt. Seitdem wir alle zu Hause arbeiten, informieren wir über die wirtschaftliche Situation, um Sorgen vor Kurzarbeit oder einem Einbruch unseres Geschäfts aufzufangen.

Wir reagieren kontinuierlich auf die Bedürfnisse von Menschen, die sich um Kinder kümmern. Zuerst  verdoppelten wir die Tage, die Angestellte bei voller Bezahlung für Kinderbetreuung freinehmen können. Wir sprachen und sprechen offen über die Herausforderungen für das Unternehmen, und warum es problematisch ist, wenn alle im Herbst auf einmal Urlaub nähmen. Wir bitten die Menschen, sich freie Tage zu nehmen, um die Arbeitsbelastung auszugleichen.

Um die Verbindung untereinander zu halten, haben wir seit Mitte März immer Montags und Freitags einen Video-Call mit allen MitarbeiterInnen. Das ist nicht nur eine Chance, mal alle zu sehen, sondern auch zu hören, was in den Teams passiert. Und es schafft bei mir ein Gefühl von Stolz, wenn ich sehe, wie die Teams die Herausforderung meistern.

In der Produktentwicklung haben wir uns die Frage gestellt: was können wir für unsere Kunden tun? Wir haben Features entwickelt, die neue Leads aufdecken oder die eine kontaktlose Beratung unterstützen. Das hat die Roadmap unserer Plattform in vielen Teilen wesentlich beeinflusst. Und weil eine Krise schwer zu prognostizieren ist, haben wir in wenigen Tagen zusammen mit unseren Partnern ein Frühwarnsystem für unseren Markt entwickelt. Das soll uns mögliche Auswirkungen auf unser Geschäft zeigen, noch bevor der Kunde überhaupt auf unserer Plattform ist.

Inwiefern unterschied sich der Entscheidungsprozess vom normalen „business as usual“?

Europace ist ein holakratisch organisiertes Unternehmen. Das heißt, dass die Verantwortung für Themen möglichst marktnah ist. Zentrale Entscheidungen betreffen häufig nur noch den Rahmen wie eine Vision und die Strategie. Ende Februar wurde aber klar: hier geht es um Entscheidungen für die gesamte Firma. Es ging um Investitionen, neue Verträge, Kosteneinsparungen, Kurzarbeit und so weiter. Viele der Themen waren neu. Und jeden Tag kamen neue Themen dazu, auf die wir in kurzer Zeit eine Antwort haben mussten.

Das hat gezeigt, wie wichtig es ist, ein funktionierendes System von Verantwortungen zu haben und schnell entscheiden zu können. Eines dieser Beispiele ist unsere Konferenz, die alle sechs Monate in Berlin mit über 600 Gästen stattfindet. Wir gingen davon aus, dass große Veranstaltungsorte im September fast unmöglich sein würden, also beschlossen wir, es zu einer Online-First-Veranstaltung zu machen. Das ist ein Wagnis für sich und wird zu einer völlig neuen Erfahrung führen.

Welche Learnings nimmst du persönlich aus dieser Erfahrung mit?

Das Handeln in unsicheren Zeiten macht Entscheidungen erforderlich. Wo nicht entschieden wird, steigt die Unsicherheit. Wo nicht informiert wird, steigt die Unsicherheit. Wir werden unsere regelmäßigen all-hands auf jeden Fall beibehalten. Ich habe in den Wochen im März oft gehört, dass die MitarbeiterInnen sich gut aufgehoben und sicher fühlen. Das macht dann unbequeme Entscheidungen möglich, wie wir sie ebenfalls kommuniziert haben. Ich merke auch, dass wir mehr mit unseren Partnern in Kontakt stehen als sonst. Die Vernetzung nimmt zu, weil uns eine Sache eint: die Bewältigung der Krise. Es zeigt einmal mehr, wie stark eine Mission sein kann.

Was möchtest du Unternehmern mitgeben, die Schwierigkeiten haben mit der derzeitigen Situation umzugehen?

Akzeptiere, dass es Deine Verantwortung ist, die Firma zu führen. Und tue dies sachlich und empathisch. Wir stehen unter größerem Druck als sonst. Wenn Dich Deine MitarbeiterInnen als Menschen und Unternehmenslenker sehen können, werden schwierige Zeiten leichter zu bewältigen sein. Bleibe mit den Menschen in Kontakt. Sorge für Klarheit und Ausrichtung.

Wer hat sich deiner Meinung nach in dieser Krise besonders bewährt und sollte unser nächster Interviewpartner werden?

Jakob Freund, CEO von Camunda: Sein Team stemmte den Wechsel von Präsenzveranstaltungen in New York zu einem reinen Online-Event mit 4000 Teilnehmern in 4 Wochen.