Von Caroline Scherr, Group Communication Manager und Raphael M. V. Tiranno, Leiter Group Legal

Dr. Lutz Philipp Roth ist ausgewiesener Fachmann für die Umsetzung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR). Er hat bereits 2011 an den Verhandlungen der EU-Richtlinie in Brüssel teilgenommen und ist seit Januar 2014 Referent am Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Dort betreut er die laufende Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht.

Zielsetzungen und Anwendungsbereiche der Wohnimmobilienkreditrichtlinie: Gleich zu Beginn klärte Dr. Roth über die genauen Zielsetzungen und die Anwendungsbereiche der WIKR auf. Bereits vor der Finanzkrise wurde eine entsprechende Richtlinie vorbereitet, um einen Binnenmarkt für Wohnimmobilienkredite zu schaffen. Im Verlauf der Finanzkrise kam ein zweiter wichtiger Aspekt hinzu: Der Verbraucherschutz bzw. das Ziel, eine verantwortliche Kreditvergabe sicherzustellen.

Regelungssysteme: Transparenzsteigerung und Risikosteuerung Zu den von der EU-Kommission ins Leben gerufenen Regelungssystemen zählen die Transparenzsteigerung sowie eine verbesserte Risikosteuerung. Die Transparenzsteigerung betrifft nicht nur die Verbraucherseite, sondern auch diejenige der Aufsichtsbehörden. Unter dem Begriff der verbesserten Risikosteuerung vereinen sich wiederum zwei Teilaspekte: Einerseits soll auf diese Weise die Entstehung systemischer Risiken verhindert werden, z. B. mithilfe einer verschärften Kreditwürdigkeitsprüfung sowie der Entscheidung, Bewertungsstandards für Immobilien einzuführen. Andererseits soll ein professionelles Verhalten der Marktteilnehmer sichergestellt werden, sichtbar etwa an den neuen Vorgaben zur Vergütungspolitik, an den Sachkundeanforderungen an Immobiliar-Darlehensvermittler und an den Vorgaben zur Immobilienbewertung.

Anwendungsbereich: Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge Zum Anwendungsbereich der Richtlinie zählen Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, unterschieden wird zwischen dinglich an einer Wohnimmobilie besicherten Krediten sowie Krediten, die sich auf den Erwerb von Eigentumsrechten beziehen, unabhängig davon, ob sie mit einem Grundpfandrecht oder einer Reallast besichert werden. Auf Förderkredite sind nur wenige Aspekte der Richtlinie anwendbar, Kredite für Gewerbeimmobilien sind ebenso wie unbesicherte Renovierungskredite nach Einschätzung von Dr. Roth nicht von der WIKR betroffen. Nach diesem Einstieg leitete Dr. Roth zum Hauptteil seines Vortrags über und präsentierte einen chronologischen Ablauf des Vergabeprozesses unter Berücksichtigung der neuen Regelungen. An den Anfang seiner Erläuterungen stellte er, dass es das erklärte Ziel des Richtliniengebers sei, dass der Verbraucher am Ende mit einer „standardisierten, aber personalisierten Information“ die Bank bzw. den Kreditvermittler verlasse.

1. Vor dem eigentlichen Kreditvergabeprozess: Allgemeine Informationen und Werbung Hinsichtlich der Werbemaßnahmen für Wohnimmobilienkredite konzentrierte sich Dr. Roth auf einige grundlegende Aspekte. Beispielsweise wird vorgegeben, dass der Inhalt der Werbung nicht irreführend sein darf und eindeutig vermittelt werden muss. Falls mit Krediten geworben wird, ist ein entsprechender Hinweis erforderlich, der darüber aufklärt, ob eine Hypothek oder ein Grundpfandrecht bestellt werden muss. Außerdem muss für bestimmte Angaben bei Werbemaßnahmen ein repräsentatives Beispiel ergänzt werden. Ein solches Beispiel ist übrigens, neben weiteren Angaben, auch für die sogenannten „allgemeinen Informationen“ über Kreditprodukte vorgeschrieben. „Ich habe heute hier Stimmen zu diesem Thema gehört, für die der Trend deshalb ganz klar zur Imagewerbung geht“, ergänzte der Referent mit Blick auf die erwähnten Regelungen, „diese Vorgaben zu erfüllen ist eigentlich weder sinnvoll noch machbar.“

2. Das Herzstück der Kreditvergabe: Der Prozess vor Abschluss eines Darlehensvertrags

  • Persönliche Informationen des Kunden / Grundsätzliche Informationen zur Kreditvergabe: Im Verlauf des Erstkontakts muss der Kreditvermittler den betreffenden Verbraucher darüber aufklären, dass er innerhalb eines bestimmten Zeitfensters persönliche Informationen wie z. B. Einkommensnachweise von ihm benötigt. Ebenso muss der Kreditvermittler den Verbraucher darüber informieren, ob er bei der Kreditvergabe beraten wird oder nicht und wenn ja, worauf sich die Beratung genau bezieht. In den eigenen Worten von Dr. Roth ist „Hintergrund dieser Vorgabe,       dass der Kunde auf diese Art und Weise wissen soll: Welchen Ausschnitt des Marktes habe ich vor mir?“ Eventuell hole sich der Kunde ausgehend von diesen Erläuterungen ergänzende Informationen bei einem anderen Berater.

Kreditvermittler müssen zu diesem Zeitpunkt außerdem kommunizieren, zu welcher Gruppe von Vermittlern sie zählen und, nach welcher Methode ihre Vergütung berechnet wird. Anzugeben sind die Provision und/oder sonstige Anreize. Diese sogenannten „sonstigen Anreize“ wurden im Gesetzesentwurf der Bundesregierung in dieser Form direkt von der EU-Richtlinie übernommen. Der Referent des Bundesministeriums legte den Begriff dahingehend aus, dass sowohl unmittelbare als auch mittelbare Anreize, wie z. B. Superboni vom Vermittler dokumentiert werden sollten, um die von der Richtlinie angestrebte Transparenz für den Verbraucher zu erhöhen.

  • Ausführlichere Kreditwürdigkeitsprüfung: Wenn der Kunde dem Kreditvermittler die gewünschten persönlichen Informationen liefert, erfolgt im Anschluss eine ausführlichere Kreditwürdigkeitsprüfung als bisher. Dr. Roth wertete diese Neuerung als direkte Folge der Finanzkrise, um eine unverantwortliche Kreditvergabe bestmöglich einzuschränken. Zwei Aspekte sind in der neuen Kreditwürdigkeitsprüfung vorgeschrieben: Einerseits muss es, abhängig von der jeweiligen Vertragsgestaltung, wahrscheinlich sein, dass der Verbraucher seinen vertraglichen Verpflichtungen über die Laufzeit hinweg nachkommen kann. Andererseits darf sich die Kreditwürdigkeit nicht nur daraus ergeben, dass die Immobilie im Wert steigen wird oder ohnehin mehr wert ist als der Kreditbetrag.

Rückfragen, die sich darauf beziehen, ob durch diese Form der Kreditvergabe nicht bestimmte Kundenkreise ausgeschlossen werden, beantwortet der Referent stets dahingehend, dass dies durchaus die Intention dieser Regelung ist; dies aber gleichzeitig stark von der jeweiligen vertraglichen Ausgestaltung abhänge, da die Regelungen insoweit einen gewissen Spielraum bieten. Grundsätzlich hegte Dr. Roth speziell für die in Deutschland vorherrschende Kreditvergabe aber keine Bedenken. Im Bundesgebiet bestünden bereits jetzt keine kritischen Verhaltensweisen, die Richtlinie ziele hier auf einen anderen Rechtsraum ab. Bezüglich der Immobilienbewertung im Rahmen einer Kreditwürdigkeitsprüfung stelle sich die Frage, ob die bisherige Bewertungsweise mithilfe eines sachkundigen Wertermittlers für Verbraucherkredite für die Größenordnung bis zu 400.000 Euro beibehalten werden kann oder ob künftig in diesem Fall ein Gutachter eingeschaltet werden muss. Aus Sicht des Referenten sollte die bisherige Vorgehensweise in Zukunft weiter möglich sein.

  • Entscheidung über die Kreditvergabe: Nach Abschluss dieser umfangreichen Prüfungen folgt im Kreditvergabeprozess die Entscheidung, ob ein Darlehen vergeben werden kann. An dieser Stelle des Prozesses sollten die personalisierten vorvertraglichen Informationen mithilfe des Europäischen Standardisierten Merkblatts (ESIS) an den Kunden weitergegeben werden. Laut Gesetzesentwurf muss dies unverzüglich nach Erhalt der notwendigen Verbraucherinformationen und rechtzeitig vor Abschluss des Kreditvertrags geschehen. Nach Meinung des Referenten ist es aber genauso möglich, das ESIS vor der Durchführung einer Kreditwürdigkeitsprüfung an den betreffenden Kunden auszuhändigen, da diese Information im Merkblatt nicht benötigt wird.
  • ESIS-Merkblatt: Das ESIS-Merkblatt bildet den inneren Kern der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. „Es soll die Verbraucher dazu befähigen, unterschiedliche Angebote grenzüberschreitend zu vergleichen“, beschreibt Dr. Roth dessen Intention. Er selbst gehe allerdings nicht davon aus, dass es tatsächlich in größerer Zahl zu grenzüberschreitenden Vermittlungen komme. Beachtenswert sei außerdem, dass die Übergabe des ESIS-Merkblatts nicht davon abhänge, ob tatsächlich ein Vertrag geschlossen werde. Vielmehr sei die Weitergabe eine unabhängige Pflicht, welche die Darlehensgeber in jedem Fall erfüllen müssten.
  • Nähere Erläuterungen / Empfehlung des Kreditvermittlers: Im Anschluss an die Übergabe des ESIS schuldet der Vermittler dem Kunden in jedem Fall nähere Erläuterungen zu den Produkten. „Erläuterungen“ bedeuten in diesem Kontext mehr als „Informationen“, aber auch weniger als eine „Beratung“. Eine entsprechende Regelung besteht bereits, allerdings ändert sich künftig die Handhabung einer Beratung. Diese wird zwar grundsätzlich nur geschuldet, wenn sie im Vorfeld vereinbart wurde. Falls dies aber der Fall ist, muss künftig „eine anleger- und anlagegerechte Beratung für das empfohlene Kreditprodukt“ geleistet werden. Dies bedeutet, dass eine Explorationspflicht besteht und der Vermittler aktiv auf den Kunden zugehen und sich nach dessen Zielen, Präferenzen und seiner finanziellen Situation erkundigen muss. Auch an dieser Stelle sollte auf die zugrundeliegende Produktpalette des Vermittlers hingewiesen werden.

Im Regelfall sei vom Kreditvermittler das geeignetste und günstigste Produkt zu empfehlen. Laut WIKR ist er dazu verpflichtet, auf mögliche Fördermittel hinzuweisen, sowie darauf, ob seine Empfehlungen von den ursprünglichen Kundenwünschen abweichen. Nicht geregelt ist dagegen die dazugehörige Dokumentation der Beratung. „Dies ist aber Absicht“, ergänzte Dr. Lutz Roth, „weil es einen erheblichen bürokratischen Aufwand verursacht hätte, bei dem wir uns nicht sicher waren, ob er unter dem Strich viel gebracht hätte.“ Ebenso sei nicht vorgegeben, wie tief die Beratungsleistung genau gehen müssten. Falls sich im Verlauf des Vergabeprozesses maßgebliche Kreditkomponenten wie etwa die Höhe der Kreditsumme ändern, muss vor Abschluss des Kreditvertrags ein angepasstes ESIS-Merkblatt an den Verbraucher weitergegeben werden. Ein Widerrufsrecht für Immobiliar-Verbraucherdarlehen wird es weiterhin geben, eine Bedenkzeit nur für den Fall, dass kein Widerrufsrecht besteht. Ebenso existiert ein Kopplungsverbot, welches das Angebot oder den Abschluss eines Kreditvertrags im Paket mit anderen Finanzprodukten oder –dienstleistungen in bestimmten Fällen ausschließt.

Mögliche Sanktionen nach einer Missachtung der Prozessvorgaben:

Für den Fall, dass die erläuterten Vorgaben nicht beachtet werden, wurde eine Reihe von Sanktionen geschaffen. Der Referent erläuterte, dass der Verbraucher nach einer fehlerhaften Kreditwürdigkeitsprüfung bei Neufällen ein Sonderkündigungsrecht erhält sowie die Möglichkeit besteht, den Kredit zu günstigeren Konditionen fortzusetzen als ursprünglich vereinbart. Im Falle eines Beratungsfehlers ist haftungstechnisch zwischen freien und gebundenen Kreditvermittlern zu unterschieden, welche unter einem Haftungsdach des Kreditgebers agieren. Für gebundene Vermittler kann eine Haftung für Beratungsfehler nicht ausgeschlo ssen werden, für freie Vermittler könnte dies anders aussehen.

Die Regelungen für das Aufsichtsrecht im Überblick:

Das Aufsichtsrecht ist dahingehend geregelt, dass Kreditgeber weiterhin von der BaFin beaufsichtigt werden. Bezüglich der Kreditvermittler ist nur bekannt, dass die Aufsichtsregelung Ländersache sein wird und diese wohl voraussichtlich die zuständigen IHKs mit der Aufsicht beauftragen werden. Darüber hinaus stellte sich Dr. Roth der Frage, ab wann ein Tippgeber künftig zum Kreditvermittler werden wird. Die WIKR regelt dies aus seiner Sicht inzwischen sehr engmaschig. Er beschrieb, dass die Grenze vom Tippgeber zum Vermittler überschritten sei, wenn durch den Tippgeber ein bewusstes Herbeiführen der Abschlussbereitschaft erzeugt oder eine hinreichend bestimmte Möglichkeit zum Abschluss des Vertrags aufgezeigt werde. Bezüglich der Vergütungspolitik gibt der Gesetzesentwurf vor, dass eine Beratung nicht an Absatzziele gekoppelt sein darf. Ebenso darf ein Absatzziel für denjenigen, der die Prüfung der Kreditwürdigkeit durchführt, nicht daran gekoppelt sein, wie viele Prüfungen zu einem positiven Ergebnis führen. Es wird kein generelles Provisionsverbot existieren; zwischen Vertrieben können demnach weiterhin Provisionsvereinbarungen geschlossen werden. Innerhalb eines Unternehmens dürfen allerdings die Vereinbarungen der Angestellten nicht an Provisionsvereinbarungen gekoppelt werden. Dr. Lutz Roth rechnet bezüglich dieser Anforderungen mit einer baldigen Auslegungshilfe von Seiten der BaFin. Auf die Regelung der Sachkundeanforderungen ging der Referent nicht noch einmal gesondert ein, da dieses Thema bereits im Rahmen der vorherigen Europace-Konferenz behandelt worden war. Genaue Details zur Vorerfahrung werden seinen Aussagen gemäß voraussichtlich im Oktober oder November veröffentlicht.

Informationen zum aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens:

Die erste Lesung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie im Bundestag fand Ende September statt, die Anhörung vor dem Rechtsausschuss folgt Mitte Oktober.[1] Dr. Roth konnte ebenfalls an die Europace-Teilnehmer weitergeben, dass die ergänzenden Verordnungen nach Verabschiedung des Gesetzes voraussichtlich Anfang November in Kraft treten werden. Noch diskutiert wird über die Deckelung des Dispozinses und der Vorfälligkeitsentschädigung sowie die Löschung von Altfällen des ewig en Widerrufsrechts. Abschließend nahm der Referent zu weiteren diskussionswürdigen Punkten bei der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie Stellung:

  • Alte-Hasen-Regelung: Im Gesetzesentwurf wird vorausgesetzt, dass Immobiliar-Darlehensvermittler, welche die „Alte-Hasen-Regelung“ des Gesetzesentwurfs in Anspruch nehmen möchten, sowohl eine Erlaubnis als Immobilienmakler als auch als Darlehensvermittler besitzen müssen. Nach Aussage von Dr. Roth wird diese Regelung derzeit „wohlwollend“ von der Gesetzgebung geprüft, so dass voraussichtlich nur eine Tätigkeit als Darlehensvermittler nötig sein könnte.
  • Handhabung von gemischtgenutzten Immobilien: Diese Immobilienart fällt voraussichtlich unter die Vorgaben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie.
  • Provisionsspiel: Hierzu macht die WIKR keine speziellen Vorgaben. Die jeweilige Provisionshöhe muss allerdings jeweils im ESIS korrekt dokumentiert werden.
  • Nennung aller in der Vermittlungskette Beteiligten: Hierzu macht die WIKR ebenfalls keine speziellen Vorgaben, auch nicht im ESIS-Merkblatt. Grundsätzlich gilt, dass ein Spielraum bei denjenigen Informationen besteht, die nicht explizit im ESIS gefordert werden.
  • Weiterhin Berechnungspauschalen statt tatsächlichen Haushaltsaufwendungen: Auch hierzu macht die Wohnimmobilienkreditrichtlinie laut Dr. Roth keine genauen Vorgaben. Die Berechnungspauschalen werden voraussichtlich als „Erfahrungssätze“ gewertet.