Governance, Wirtschaftlichkeit, rechtliche Compliance, Marketing, Priorisierung und Planung von Roadmaps: Und das alles ohne direkte Weisungsbefugnis – dafür in Projekten, in denen Akteure zusammenarbeiten, die außerhalb dieser Projekte in Konkurrenz zueinander stehen. Themen, die bereits in klassischen Linienorganisationen hohe Relevanz haben, sind auch für Open Source-Projekte eine Herausforderung.

Und genau diesem Thema widmete sich die diesjährige FOSS Backstage (FOSS für Free and Open Source Software) im März. Für uns war die FOSS Backstage gleich aus zwei Gründen spannend: Bei Europace setzen wir intern schon lange auf Inner Source-Prinzipien um Team- und Unit-übergreifende Arbeit einfacher zu gestalten. Diese sind aus Erfahrungen im Open Source-Bereich abgeleitet, FOSS gibt uns interessante Insights aus anderen Unternehmungen, die wiederum in unsere Inner Source-Strategie einfließen. Und dann verbindet uns auch emotional einiges mit FOSS. Immerhin fand die erste Veranstaltung – damals noch im kleinsten Rahmen mit gerade mal knapp 70 Personen – in unseren Räumen statt. Ins Leben gerufen wurde der Event damals von unseren Kollegen Open Source Strategin Isabel Drost-Fromm und Stefan Rudnitzki (damals noch bei Europace) in Kooperation mit plain schwarz gegründet. 

Der Tag begann mit einer Keynote des Präsidenten der Free Software Foundation Europe Matthias Kirschner. Er erklärte die Werte der FOSS Bewegung. Besonders bezüglich Software und Ethik zeigte er rechtliche Mittel zur Einflußnahme, die über das Copyright hinausgehen. Florian Effenberger, Executive Director der Document Foundation, und Maximillian Michels (u.a. Apache Beam, Flink) erklärten Strukturen und Rollen erfolgreicher Communities.

Auch wenn es ausschließlich in der Freizeit entwickelte Open Source-Projekte gibt, werden inzwischen viele für ihre Mitarbeit bezahlt: Zum Beispiel der I Love Free Software Day wenn Unternehmen Projekte einsetzen und benötigte Änderungen beisteuern. Warum? Gemeinsame Entwicklung spart Kosten und Zeit. Außerdem profitiert man so vom Wissen im Projekt und das sowohl beim Mitlesen, als auch beim Beitragen. In seinem Vortrag zum Thema “How to convince your left brain (or manager) to follow the Open Source path that your right brain desires” ging der per Remote Call zugeschaltete Bertrand Delacretaz (ehemaliger Direktor von Apache Software Foundation, Principle Scientist Adobe) auf Argumente für Beteiligung an Open Source ein.

Emmy Tsang (Innovation Comunity Manager von eLife Labs) stellte vor, was wissenschaftliche Arbeit von der Transparenz und Geschwindigkeit in Open Source Projekten lernen kann. Ihre Beobachtung: Interdisziplinäre Teams finden die einflussreichsten Innovationen.

In seiner Session zum Thema “Blending Open Source and Corporate Values” hat DBSystel Open Source Steward Cornelius Schumacher vorgestellt, wie Erfahrungen im Open Source Bereich helfen können, Silos in Unternehmen abzubauen. Insbesondere bei vielen Tochterunternehmen hat ihm die Arbeit mit einer eigenen Inner Source-Lizenz geholfen. Wir sind stolz, dass er dazu auch Erfahrungen nutzen kann, die wir bei Europace gemacht und anschließend veröffentlicht haben.

Lightmeter-Gründer Sam Tuke erklärte in seinem Vortrag die Besonderheiten des Themas Produktmanagement im Open Source Bereich: Wie geht man mit einer Vielzahl an Stakeholdern um, die nicht nur Anforderungen an das Produkt haben, sondern es selbst aktiv mitgestalten wollen? Wie geht man damit um, dass aufgrund einer auf Privacy achtenden Nutzergruppe nur wenige Nutzungsmetriken gesammelt werden können, von klassischem Research ganz zu schweigen?

In den Abschlußsessions erklärte Head of Marketing von Nextcloud Jos Poortvliet in seinem Beitrag Rise to the Challenge of Digital Sovereignty warum die (A)GPL als Lizenz sich als besonders gute Wahl für das Projekt Nextcloud und das darauf aufbauende Business Modell erwiesen hat – Offenheit und Level Playing Field haben sich als wichtige Faktoren für diese Entscheidung herausgestellt.